Hier das Wahlprogramm 2015 der Piratenpartei Schweiz downloaden.
Unsere Überzeugungen und Grundhaltungen
- Wir sind humanistisch: Wir stellen den Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen ins Zentrum. Jeder Mensch soll ermächtigt werden, sich frei zu entfalten, selbstbestimmt zu leben und an der Gesellschaft und Politik teilzuhaben. Wir kämpfen gegen Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung – und für eine gute Bildung, die Werte der Aufklärung, starke Grundrechte, Menschenwürde und ein respektvolles Miteinander.
- Wir sind liberal: Ein freiheitlicher Staat setzt auf die Entscheidungskompetenz seiner Bürger. Eine liberale Gesellschaft hat Platz für eine Vielfalt an Lebensentwürfen. Der Staat soll für faire Rahmenbedingungen sorgen, so dass alle nach Glück (welcher Art auch immer) streben können. Eine Aufweichung von rechtsstaatlichen Prinzipien kommt für uns nicht in Frage. Eingriffe des Staates in die Rechte der Bürger sind äusserst zurückhaltend einzusetzen. Die Aufgabe des Staates ist es, die Freiheit seiner Bürger zu schützen, nicht sie zu beschränken. Wir kämpfen gegen Bevormundung, Überwachung, Bürokratie und Regulierungswut – und für die persönliche Freiheit.
- Wir sind progressiv: Wir begrüssen den Fortschritt. Wir sind überzeugt, dass Wissenschaft und Technik zum Vorteil von uns allen eingesetzt werden können. Die Politik hat die Aufgabe, diese Chancen zu erkennen, die richtigen Schlüsse aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ziehen, Innovation zu ermöglichen, und mit neuen Lösungen entstehende Nachteile abzuwenden. Die gesamte Gesellschaft und auch die nachfolgenden Generationen sollen profitieren können. Es nützt nichts, sich an alten Gesetzen, Strukturen und Grenzen festzuklammern. Als Partei der Informationsgesellschaft kämpfen wir für mehr Mut zur Veränderung!
Unsere Kernthemen
- Privatsphäre schützen: Die wachsende Überwachung und Datensammelwut zeugt von einem Misstrauen gegenüber den Bürgern. Diesen Paternalismus und die Tendenz zur Generalverdächtigung bekämpfen wir. Wir halten das Grundrecht auf Privatsphäre hoch und setzen Vertrauen in mündige Bürger. Wir brauchen nicht mehr Überwachung, sondern mehr Zivilcourage. Der Polizei und den Ermittlungsbehörden müssen klare Grenzen gesetzt werden. Wir fordern daher die Ausweitung des Postgeheimnisses zu einem generellen Kommunikationsgeheimnis. So müssen die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft, sowie der Staatstrojaner und die Kabelaufklärung verhindert werden. Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte muss mit deutlich mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden sowie mit der Kompetenz, Bussen auszusprechen.
- Mehr Freiheit, weniger Verbote: Die Regulierungswut ist einzuschränken. Wir sind freie mündige Bürger, die ihren Verstand gebrauchen, ihre Interessen vertreten, Verantwortung übernehmen, aber auch Rücksicht auf andere nehmen. Wenige einleuchtende zentrale Regeln, die Rechtssicherheit schaffen, ermöglichen eine prosperierende Gesellschaft. Insbesondere hat der Staat kein Recht, in die persönliche Freiheit einzugreifen.
- Menschenrechte verteidigen: Die Menschenrechte sind die unabdingbare Basis unserer Freiheit und dürfen keinesfalls eingeschränkt oder auch nur in Frage gestellt werden. Sie gelten für alle gleichermassen, unabhängig von Herkunft, Heimatort, Rasse oder Religion.
- Staat und Politik transparent machen: Die Bürger haben ein Anrecht darauf zu wissen, was der Staat macht, und aus welchen Gründen. Der Zugang zu amtlichen Dokumenten muss vereinfacht und Open Data (der freie Zugang zu Daten der öffentlichen Hand) vorangetrieben werden. Das Parlament und die Parteien müssen sich an internationale Transparenzstandards halten. Politikerbestechung darf nicht weiter legal bleiben.
- Informations- und Medienfreiheit durchsetzen: Der freie Fluss von Informationen ist im Informationszeitalter ausschlaggebend für den kulturellen Fortschritt. Unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung tritt der Staat immer mehr als Zensurbehörde auf. Wir lehnen Netzsperren kategorisch ab. Die Verlinkung von Informationen muss immer legal sein, auch für Suchmaschinen. Die Netzneutralität muss auch gegenüber wirtschaftlichen Partikularinteressen verteidigt werden. Verbote von Computerspielen sind abzulehnen, Geoblocking ebenso. Zensur ist nie eine Lösung, sondern immer nur eine Symptombekämpfung.
- Fairen, freien Markt gestalten: Der freie Markt wird durch Patente, Monopole, Korruption, Marktabschottungen und Regulierungen beschränkt oder verhindert. Patente auf Software, Gene und Trivialitäten sollen abgeschafft werden. Parallelimporte sollen uneingeschränkt zugelassen werden. Wir wollen einen innovativen Markt, der mit einfachen, fairen Regeln spielt. Auch die Verwendung von freien Standards fördert dies.
- Kultur und Wissen befreien: Das heutige Urheberrecht ist für das Informationszeitalter gänzlich ungeeignet und gehört deshalb reformiert. Wir wollen die Schutzfristen deutlich reduzieren. Sharing und Remixing sind Kulturtechniken, die legalisiert werden sollen. Sie gehören zu einer freien, lebendigen Kultur. Das nicht-gewerbliche Sammeln, Nutzen, Bearbeiten und Verbreiten von Kultur soll ausdrücklich erlaubt sein. Der Zugang zu Wissen und Kultur soll so hürdenfrei wie möglich gestaltet werden. Werke, die in staatlichem Auftrag geschaffen werden, sollten wenn immer möglich unter einer freien Lizenz stehen. Dies gilt insbesondere auch für Forschungsarbeiten, die vom Nationalfonds finanziert werden.
- Kirche und Staat trennen: Religion ist Privatsache. Es geht nicht an, dass gewisse Glaubensgemeinschaften staatlich bevorteilt und mit Steuern unterstützt werden. Das Konzept der Landeskirchen ist schweizweit abzuschaffen. Schulunterricht soll wissenschaftlich fundiert und laizistisch sein.
Unsere Positionen in weiteren Politikbereichen
- Staatspolitik: Unser demokratische Rechtsstaat weist viele Defizite auf, die behoben werden müssen: Grosse Bevölkerungsteile sind vom Stimmrecht ausgeschlossen. Der Weg zur Einbürgerung ist unnötig erschwert. Wahlhürden schliessen Parteien aus. Wahlkämpfe werden aus dubiosen Quellen finanziert. Wir setzen uns ein für mehr partizipative Demokratie und die Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien. Die Bürokratie muss abgebaut werden. Gesetze sollen verfassungs- und menschenrechtskonform, zweckmässig, effektiv und verhältnismässig sein und danach überprüft werden.
- Umweltpolitik: Endliche Ressourcen müssen geschont werden, damit unser Planet für kommende Generationen genauso lebenswert bleibt. Die Nachhaltigkeitsprobleme müssen global gelöst werden. Mit neuer Technik, faktenbasierter Politik, richtig gesetzten Anreizen und internationaler Zusammenarbeit kann dies gelingen.
- Sozialpolitik: Wir setzen uns für ein würdevolles Leben für alle ein. Im Zentrum stehen die eigene Verantwortung und Unabhängigkeit. Sozialpolitik im Sinn der Piraten unterstützt Menschen dabei, ihr Leben selbst in den Griff zu bekommen. Die Chancengleichheit muss weiter verbessert und die sogenannte soziale Mobilität erhöht werden. Dies darf auch etwas kosten. Bildung soll für alle kostenlos sein. Die digitale Revolution erfordert einen flexiblen Arbeitsmarkt mit kontrollierbaren Risiken bzw. ausreichenden Sicherheiten für alle Akteure.
- Gesellschaftspolitik: Viel zu viele Verbote und Vorschriften schränken die freie Lebensgestaltung ein. Wir wollen ein modernes Eherecht, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gleichstellung der Geschlechter, legale Sterbehilfe, Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Legalisierung und kontrollierte Verfügbarkeit von Drogen und verteidigen die bisherigen Errungenschaften gegen konservative Angriffe. Wir möchten die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen verwirklichen.
- Aussenpolitik: Wir setzen auf Kooperation statt Isolation. Die Flucht in den Nationalismus ist keine Option. Wir sind für eine aktive Aussenpolitik, die Menschenrechte, Demokratie und Frieden ins Zentrum setzt und sich der Angstpolitik entgegen stellt. Die europäische Piratenpartei-Bewegung strebt die Demokratisierung der Europäischen Union an. Ohne nennenswerte (direkt-) demokratische und rechtststaatliche Fortschritte ist für die Piratenpartei Schweiz ein EU-Beitritt keine Option. Für die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen soll eine pragmatische Lösung für die «institutionellen Fragen», d.h. eine internationale Gerichtsinstanz, gefunden werden.
- Wirtschaftspolitik: Wo immer möglich sind wir für einen freien, dezentralen, widerstandsfähigen Markt innerhalb eines rechtlich vorgegebenen Rahmens. Dem innovativen und verantwortungsvollen Unternehmertum wie auch der Freiwilligenarbeit sollen möglichst wenig Hürden im Wege stehen. Konsumenten sollen vor Täuschung und Arbeitnehmende vor Ausnutzung geschützt werden. Dies soll aber ohne etatistische Überregulierung geschehen. Strukturerhaltungsmassnahmen und Marktabschottung sind teuer und nicht zielführend. Es soll das Verursacherprinzip gelten. Monopole sind wirksam zu bekämpfen.
- Finanzpolitik: Die staatlichen Institutionen, die Bildung und Infrastruktur dürfen etwas kosten. Gespart werden kann durch Effizienzsteigerungen sowie durch den Abbau von Subventionen, Repression und Leerläufen in der Verwaltung. Wir wollen ein viel einfacheres Steuersystem ohne Schlupflöcher.
- Sicherheitspolitik: Pauschale Überwachungsmassnahmen, Rayonverbote, Internet-Pranger usw. werden massiv überstrapaziert. Der Polizei und Justiz müssen wieder klare Grenzen gesetzt werden. Die Repression muss heruntergefahren und stattdessen vermehrt auf Sozialarbeit gesetzt werden. Die Vermischung von Militär, Polizei, Geheimdienst und Justiz bekämpfen wir. Einen Geheimdienst braucht die Schweiz nicht, hingegen muss Spionage endlich ernsthaft verfolgt werden.
- Justiz: Wir wollen die Unabhängigkeit der Justiz stärken. Die Militärgerichte müssen durch ordentliche Gerichte abgelöst werden. Menschenrechte müssen im Strafprozess unbedingt beachtet werden. Das Strafrecht hat nicht die Aufgabe, durch Rache eine angebliche Gerechtigkeit zu schaffen, sondern soll ein Anreiz sein, sich an die Gesetze zu halten. Allgemeinverbindliche Rechtsnormen und Gerichtsurteile müssen öffentlich zugänglich gemacht werden.
- Migrationspolitik: Die Reise- und Niederlassungsfreiheit ist eine wichtige Errungenschaft, die schrittweise weiter ausgebaut werden soll. Die Schweiz soll wieder eine Willkommenskultur pflegen und Migranten schnell als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft aufnehmen. Wer sich in der Schweiz eine eigenständige Existenz aufbauen will und den dafür notwendigen Einsatz aufbringt, soll ungehindert zuwandern dürfen. Eine freie Migration stärkt nicht zuletzt auch unsere Wirtschaft, da sich die Bevölkerung viel einfacher der Arbeitsmarktsituation anpassen kann.
- Bildungspolitik: Wir stehen für eine starke Volksschule ein. Anstehende Reformen sollen nicht blockiert werden. Die Schule soll laizistisch sein. Lernmaterialien sollen frei lizenziert und zugänglich sein. Wir befürworten stärkere Investitionen in die Frühförderung. Für uns ist die Bildung die geeignetste Massnahme, um soziale Hürden zu überwinden, d.h. um vertikale soziale Mobilität zu ermöglichen. Auch für das Gelingen der Inklusion aller Menschen ist auf der Ebene der Bildung möglichst früh anzusetzen.
Unser Antrieb
Wir befinden uns in der Zeit der digitalen Revolution. Das Informationszeitalter ist angebrochen. Aus Sicht der Piratenpartei genügt es nicht, althergebrachte Rezepte auf die neuen Begebenheiten zu übertragen, wie dies die anderen Parteien tun. Die Digitalisierung und Vernetzung verändert alle Aspekte der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Wir sind gefordert, die Dinge von Grund auf neu zu denken, damit die Chancen, die sich bieten, genutzt werden können. Die Piraten kommen «aus dem Internet» und wollen die Erkenntnisse, die sich ihnen aus der digitalen Welt ergeben, in alle Politikbereiche einbringen.
Piratenpartei Schweiz Wahlprogramm 2015.
CC-BY 4.0, Piratenpartei Schweiz